Wie vertrauenswürdig sind Influencer heutzutage?
Jeder kennt sie und jeder hat seine eigene Meinung zu ihnen — Influencer auf Instagram, TikTok, YouTube und Co. Sie teilen ihre Erfahrungen, ihren Alltag und ihr Berufsleben mit uns. In einer Zeit, in der Bilder, Videos und Kooperationen immer häufiger bearbeitet oder gar gefaket werden, wird Vertrauen zu einer Mangelware. Während Influencer munter Produkte, Dienstleistungen oder sich selbst vermarkten, sieht sich der Nutzer immer öfter mit der Frage konfrontiert, ob man ihnen überhaupt glauben kann.
Die Frage nach der Glaubwürdigkeit tritt eine weit größere Diskussion los, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Daher stelle ich mir immer öfter die Frage: Wie vertrauenswürdig sind unsere Influencer?
Was ist Vertrauen und wie entsteht es?
Diese Frage mag dem ein oder anderen an dieser Stelle überflüssig vorkommen. Intuitiv kann sicherlich jeder für sich beantworten, was Vertrauen für ihn bedeutet und wie man Vertrauen aufbaut. Aber wie sieht das Ganze wissenschaftlich betrachtet aus?
Laut manchen Quellen ist Vertrauen eine subjektive Überzeugung von der Richtigkeit und Wahrheit einer Aussage oder Handlung. Juristisch betrachtet ist Vertrauen ein Verhältnis von direkter oder indirekter Verbindung und Abhängigkeit in Wechselseitigkeit. Du würdest Vertrauen ganz anders beschreiben? Ich auch! Meiner Meinung nach ist Vertrauen viel mehr als eine Überzeugung. Es ist ein Gefühl von Sicherheit und Zuverlässigkeit. Außerdem spielen auch Respekt und unser Gewissen eine Rolle, wenn es um Vertrauen geht.
Wenn wir jemandem wirklich vertrauen, haben wir nicht das Bedürfnis, etwas kontrollieren zu müssen, wir sind frei von Ängsten und verlassen uns darauf, dass wir nicht enttäuscht oder gar verletzt werden. Vertrauen ist es, was das Zusammenleben in einer Gesellschaft überhaupt möglich macht. Denn müssten wir uns ständig Sorgen darüber machen, dass wir ausgeraubt oder betrogen werden, würden wir diesem andauernden Zustand von Stress und Unsicherheit nicht standhalten können.
Zwischenmenschliche Beziehungen, seien es Freundschaften, Beziehungen oder sogar parasoziale Beziehungen, funktionieren nur, weil wir uns bewusst oder unbewusst dazu entscheiden, dieser Person zu vertrauen. Das macht Vertrauen zu einem ganz elementaren Bestandteil unseres alltäglichen Lebens und sollte dementsprechend wertgeschätzt werden.
Wie bauen wir Vertrauen auf?
Wir vertrauen den Personen, die uns immer wieder bewiesen haben, dass ihr Wort auch etwas wert ist und dass auf ihre Versprechen Verlass ist. Wir belohnen also in erster Linie Berechenbarkeit, Beständigkeit und Konsistenz mit Vertrauen. Das haben wir so nämlich schon seit unserer Geburt gelernt: Wenn Mama oder Papa wiederholt zu uns kommen, wenn wir schreien, beginnen wir auf dieses Verhalten zu vertrauen.
Später, wenn wir selbstständig denken können, beginnen wir uns selbst zu vertrauen. Wenn wir uns vornehmen, eine Sache zu erledigen und dieses To-do am Ende des Tages tatsächlich abhaken können, haben wir uns selbst bewiesen, dass auf unser eigenes Wort Verlass ist. Die Belohnung? Wir sind stolz und fühlen uns produktiv, haben uns vor Ärger bewahrt und im weitesten Sinne für unser eigenes Wohlergehen gesorgt.
Warum wir das tun? Weil wir uns selbst wertschätzen und respektieren. Wir möchten unsere eigenen Prinzipien, Werte und persönlichen Grenzen nicht verletzen. Das fängt bei banalen Dingen, wie „Ich räume mein Zimmer auf, weil ich mich selbst genug respektiere, dass ich mir eine saubere Umgebung ermöglichen möchte.“ an und endet bei weit größeren Angelegenheiten wie „Ich respektiere mich genug, dass ich eine Situation verlasse, die mich kurz- oder langfristig meine Zufriedenheit kostet“. In beiden Fällen vertrauen wir darauf, dass wir die beste Entscheidung für uns treffen, weil wir jemand sind, den wir so sehr wertschätzen, dass wir nur das Beste für uns wollen.
Das gleiche Prinzip ist auf unsere Mitmenschen anzuwenden: Wenn ich meinem Gegenüber vertraue, dann erhoffe ich mir, dass dieser mich ebenso wertschätzt, dass er mich nicht enttäuschen oder verletzen möchte. Oft gehen wir gleichzeitig davon aus, dass die Person selbst ein Interesse daran hat, unser Vertrauen nicht zu verlieren. Grund dafür ist, dass sie umgekehrt genauso darauf hofft, dass ihr eigenes Vertrauen nicht missbraucht wird. Wenn wir einander wiederholt beweisen, dass wir sorgsam mit dem Vertrauen des anderen umgehen, indem wir einander nicht enttäuschen, unsere Versprechen einhalten und entsprechend handeln, wächst das Vertrauen.
Was haben Influencer nun mit Vertrauen am Hut?
Folgt man den Definitionen, so sind Influencer Personen, die über eine „große“ Reichweite innerhalb der sozialen Netzwerke verfügen und damit einen hohen Bekanntheitsgrad haben. Zudem produzieren sie Inhalte, die sie dann über Social Media teilen und somit Einfluss auf ihre Follower ausüben. Aber ich denke mal, dass diese Erläuterung für alle nichts Neues mehr ist.
Interessant ist hierbei, dass Influencer allein wegen der regelmäßigen Postings, der regelmäßigen Interaktion mit ihren Followern oder regelmäßigen Livestreams zu einer konstanten Erscheinung im Feed ihrer Follower werden. Und wie oben erklärt, baut Konstanz Vertrauen auf. Wir rechnen fest damit, neuen Content vorzufinden, wenn wir Instagram, TikTok und Co. öffnen — wir vertrauen darauf, dass die Influencer ihrem ,,Job‘‘ nachgehen.
Aber woraus besteht der Job eines Influencers?
Aus Influencen, richtig. Sie werden dafür bezahlt, uns in unserem Konsum zu beeinflussen. Dabei kommt ihnen aber eine weit größere Rolle zu. Sie beeinflussen neben unserem Kaufverhalten auch unsere Meinung, sei es zu persönlichen Themen, in der Politik oder im Beruf. Wen das näher interessiert, der kann auch gerne meinen Beitrag „Social Media und politische Diskussionen - beeinflussen sie uns wirklich?“ lesen.
Sie nehmen eine bedeutende Rolle in unserer Gesellschaft ein und erreichen vor allem Kinder und Teenager, die aufgrund ihres Alters noch besonders leicht zu beeinflussen sind. Nicht selten, werden Influencer deswegen damit konfrontiert, dass sie eine Vorbild-Funktion haben und dieser entsprechend nachkommen sollen. Aber lässt sich dieser Gedanken nicht noch weiter stricken? Inwiefern beeinflussen Influencer die Identitätsbildung der jüngeren Generation? Und welche Verantwortung ergäbe sich daraus?
Und genau an dieser Stelle kommt wieder das Vertrauen ins Spiel. Wir lassen uns in der Regel nur von Menschen beeinflussen, die wir respektieren, denen wir dann wiederum Vertrauen entgegenbringen und zu denen wir möglicherweise aufschauen.
Influencer haben im Normalfall nie um das Vertrauen ihrer Community gebeten, es wird ihnen freiwillig entgegengebracht. Inwieweit können sie also für das freiwillig entgegengebrachte Vertrauen in die Verantwortung gezogen werden? Wir sind alle frei und können selbst darüber entscheiden, wem wir vertrauen und wem wir so die Möglichkeit geben möchten, uns beeinflussen zu können.
Andererseits liegt es auch im Interesse des Influencers authentisch und vertrauenswürdig zu wirken, um beispielsweise Kampagnen und Produkte besser vermarkten zu können. Ist die Authentizität also nur inszeniert? Wird das Vertrauen der Community ausgenutzt, um sich den eigenen Lebensunterhalt finanzieren zu können? Oder stehen die Influencer tatsächlich hinter einem Produkt und möchten es aufrichtig empfehlen?
Wem ihr vertraut, ist letztlich euch überlassen
Natürlich lassen sich diese Fragen nicht allgemein beantworten. Im Endeffekt gehen all meine heutigen Überlegungen darauf zurück, dass man behutsam auswählen sollte, wem man sein Vertrauen schenkt und möglicherweise nachfolgend auch sein Geld. Wie immer möchte ich hier auf medienimkopf auf die Komplexität und die Konsequenzen einer passiven Mediennutzung aufmerksam machen.
Jeder von uns hat individuelle Ansprüche an Influencer, spricht ihnen einen eigenen Stellenwert zu und bringt ihnen dementsprechend ein eigenes Maß an Vertrauen entgegen. Die Frage, ob Influencer grundsätzlich vertrauenswürdig sind, ist daher nicht pauschal zu beantworten. Auch hier gilt es sich diese Frage als Nutzer zu stellen und eine individuelle Antwort zu formulieren.
Lasst euch allerdings nicht davon täuschen, dass viele Influencer beispielsweise „immer“ makellose Haut haben. Auch wenn das kontinuierlich der Fall sein sollte, ist dafür nicht zwingend ein angepriesenes Produkt verantwortlich. Die Verknüpfung zwischen den „immer“ perfekt liegenden Haaren und einem bestimmten Produkt lässt keine zwingende Kausalität zu. Lasst euch durch Konsistenz allein nicht zu fahrlässigem Vertrauen verleiten.